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Das Aktuelle für Ärzte & Heilberufe - Ausgabe 1/21

Erhöhte Behinderten- und Pflege-Pauschbeträge ab 2021

Der Bundestag hat am 29.10.2020 das Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 27.11.2020 zugestimmt. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Höhere Pauschbeträge und Fahrtkostenpauschale

Damit Menschen mit Behinderung keine Einzelnachweise ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbringen müssen, können sie Pauschbeträge beantragen. Die Höhe des Behinderten-Pauschbetrags hängt vom Grad der Behinderung ab. Ab 2021 verdoppelt der Gesetzgeber diese Pauschbeträge.

Zudem hat der Gesetzgeber hinsichtlich des Grads der Behinderung die veraltete Systematik aktualisiert und an das Sozialrecht angeglichen.

Ab 2021 können auch Steuerpflichtige mit einem Grad der Behinderung von mindestens 20 ohne besondere Voraussetzungen Pauschbeträge beantragen. Ab 2021 werden folgende Pauschbeträge gewährt:

Hinweis: Für Menschen, die hilflos im Sinne des § 33b Abs. 6 Einkommensteuergesetz sind, sowie für Blinde und Taubblinde erhöht sich der Pauschbetrag auf 7.400 €.

 

Bei einem Grad der Behinderung von mindestens

Pauschbetrag

20

384 €

30

620 €

40

860 €

50

1.140 €

60

1.440 €

70

1.780 €

80

2.120 €

90

2.460 €

100

2.840 €

 

Menschen mit Behinderungen können bei Einschränkung ihrer körperlichen Beweglichkeit zudem Aufwendungen für behinderungsbedingte Fahrtkosten entstehen. Ab 2021 wird anstelle des bisherigen individuellen Einzelnachweises der behinderungsbedingt entstandenen Fahrtkosten eine Pauschalbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Die Pauschale beträgt

  • 900 € bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
  • 500 € für Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“), Blinde (Merkzeichen „Bl“), Taubblinde (Merkzeichen „TBl“) und hilflose Menschen (Merkzeichen „H“). Diese Menschen konnten bereits nach den bisher geltenden Regelungen in den Grenzen der Angemessenheit nicht nur Aufwendungen für durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Fahrten, sondern auch für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten geltend machen.

Über diese Fahrtkostenpauschale hinaus sollen keine wei­teren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außer­gewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig sein. Die Pauschale soll statt der bisher individuell ermittelten Auf­wendungen für Fahrtkosten von Menschen mit Behinde­rung unter Abzug der zumutbaren Belastung zu berück­sichtigen sein.

Für die Berücksichtigung der Pauschale muss gleichwohl ein Antrag gestellt werden, da Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen nur auf Antrag berücksichtigt werden können. Sollten die Anspruchsvoraussetzungen für beide Pauschalen erfüllt sein, ist immer nur die höhere Pauschale zu gewähren.

Verbesserungen beim Pflege-Pauschbetrag

Ab 2021 wird der Pflege-Pauschbetrag im Gegensatz zum bisherigen Recht bereits ab Pflegegrad 2 und unabhängig von dem Kriterium „hilflos“ gewährt. Konkret sind folgende Pauschbeträge vorgesehen:

  • bei Pflegegrad 2: 600 €,
  • bei Pflegegrad 3: 1.100 €,
  • bei Pflegegrad 4 oder 5: 1.800 €.

Der Pflege-Pauschbetrag stellt auf die persönliche Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Personen, die in den Pflegegraden 2 bis 5 eingeordnet sind, in der häuslichen Umgebung ab. Die Pflege besteht beispielsweise in der Hilfestellung bei Verrichtungen des täglichen Lebens (u.a. Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Mobilität, hauswirtschaftliche Versorgung). Da die Regelung auf die persönliche Pflege abstellt, führt auch die persönliche Pflege und Betreuung in der Wohnung des Pflegebedürftigen zu einer Steuerermäßigung. Der Pauschbetrag schließt die Möglichkeit des Einzelnachweises etwaiger höherer Aufwendungen nicht aus.

Zwölfjähriges Verkehrsunfallopfer: „Verdienstausfall“ bleibt unbesteuert

Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gezahlt werden, unterliegen in aller Regel der Einkommensteuer. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) muss für eine solche Besteuerung aber eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und entgangenen Einnahmen bestehen.

Der Entscheidung liegt der Fall eines jungen Mädchens zugrunde, das im Jahr 2003 im Alter von zwölf Jahren in einen schweren Verkehrsunfall in der Schweiz verwickelt war und dabei unumkehrbare körperliche und geistige Folgeschäden (Grad der Behinderung 100 %) erlitten hatte. Aufgrund dieser Schädigung ist es zeitlebens nicht in der Lage, eine Ausbildung zu beginnen oder ein Arbeitseinkommen zu erzielen. Von der Versicherung des Schädigers erhielt das Mädchen 2015 nach Schweizer Recht eine als „Verdienstausfall“ bezeichnete Zahlung von 695.000 €.

Das Finanzamt stufte die Zahlung als steuerpflichtige Entschädigung ein und setzte darauf eine Einkommensteuer von 252.560 € (zuzüglich Solidaritätszuschlag von 13.890 €) fest. Das Mädchen klagte gegen die Besteuerung und trug vor, dass die Zahlung nicht mit einer real existierenden (oder auch nur geplanten) Erwerbstätigkeit zusammenhänge, sondern nur einen hypothetischen Erwerbsausfallschaden abdecken solle und somit als Schmerzensgeld- bzw. Schadenersatzleistung nicht besteuert werden dürfe.

Der BFH lehnte eine Besteuerung ebenfalls ab und verwies darauf, dass die mit der Versicherung getroffenen Vereinbarungen nicht dahin gehend gedeutet werden können, dass mit der Zahlung tatsächlich ein Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten Einkunftsquelle geleistet werden sollte. Dieser Zusammenhang hätte aber für eine Besteuerung als Entschädigung bestehen müssen. Das Mädchen hatte zum Zeitpunkt des Unfalls in keinem Arbeitsverhältnis gestanden und altersbedingt weder ein Ausbildungs- noch ein Arbeitsverhältnis angestrebt. Die Bundesrichter sahen die geleistete Zahlung als Ersatz für die der Klägerin genommene Möglichkeit, sich überhaupt für ein Erwerbsleben entscheiden zu können.

Hinweis: Es fehlte dem BFH hier an der erforderlichen kausalen Verknüpfung zwischen der Entschädigung und entgangenen steuerbaren Einnahmen, so dass eine Besteuerung als Entschädigung ausschied.

Vorzeitiger Behandlungsabbruch: Kurklinik darf keinen Ersatz verlangen

Ob eine Schadenersatzklausel in einem Behandlungsvertrag zwischen einer Patientin und einer Kurklinik wirksam sein kann, die bei Abbruch der Kur eine Schadenersatzpflicht der Patientin vorsieht, hatte letztinstanzlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.

Die Planung in einer Kurklinik verlangt Verlässlichkeit. Eine Klinik hat also ein erhebliches Interesse daran, dass Pa­tienten die vereinbarte Kur auch durchführen. Denn bei vor­zeitiger Beendigung einer Behandlung kann die Kur­klinik die frei werdenden Behandlungskapazitäten möglicherweise nicht neu besetzen, muss aber laufende Kos­ten weiterzahlen.

Eine Kurklinik in Brandenburg nahm deshalb eine Schadenersatzklausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Behandlungsvertrags für Patientinnen in einer Mutter-Kind-Kur auf, die besagt, dass die Patientin für den Schaden aufkommen muss, wenn sie ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit die Abreise vor Beendigung der Maßnahme antritt. Im Urteilsfall unterzeichnete eine Mutter von vier Kindern den Behandlungsvertrag und trat am 28.02.2018 mit ihren Kindern die Kur an, die bis zum 21.03.2018 dauern sollte. Zehn Tage vor dem geplanten Ende der Kur verließ die Mutter jedoch die Klinik. Diese verklagte sie daraufhin auf Schadenersatz in Höhe von rund 3.000 €.

Klage sowie Berufung der Klinik blieben ohne Erfolg. Die Klinik legte schließlich Revision vor dem BGH ein. Dieser wies die Revision jedoch als unbegründet zurück. Der Kurvertrag sei seinem inhaltlichen Schwerpunkt nach ein Behandlungsvertrag. Behandlungsverträge seien besondere Dienstverhältnisse. Solche Dienste höherer Art könne der Patient jederzeit frei kündigen. Kündige der Pa­tient, habe die Klinik lediglich Anspruch auf eine Ver­gütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen.

Hinweis: Diese Grundsätze des Dienstvertragsrechts wollte die Schadenersatzklausel der Kurklinik aufhebeln. Das ist den Bundesrichtern zufolge unwirksam. Es verstoße gegen wesentliche Grundgedanken des Dienstvertragsrechts. Patienten seien frei darin, eine Behandlung jederzeit auch ohne Gründe zu beenden. Für Kur- und Rehabilitationskliniken bleibt also nur der Weg, unerwartet frei gewordene Behandlungsplätze schnellstmöglich neu zu vergeben.

Halber Praxissitz: BSG stärkt Honorarverteilungsgerechtigkeit

Ob Ärzte mit halbem Versorgungsauftrag in einer Berufsausübungsgemeinschaft über die zugewiesene anteilige durchschnittliche Fallzahl hinaus Patienten gewinnen dürfen, musste das Bundessozialgericht (BSG) im folgenden Fall abschließend entscheiden. Denn im Vergleich zu Kollegen mit vollem Versorgungsauftrag, die dies bis zu 150 % der durchschnittlichen Fallzahl tun können, hat die Honorarverteilung das Honorar angestellter Ärzte mit halbem Versorgungsauftrag bislang erheblich gedeckelt.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wies den Ärzten mit einem halben Versorgungsauftrag (Zulassung) in einer orthopädischen Gemeinschaftspraxis ein Gesamtvolumen höchstens bis zum anteiligen durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Arztgruppe im Vorjahresquartal zu. Vergütungsanteile oberhalb dieser Vergütungsobergrenze wurden lediglich mit abgestaffelten Preisen (Abstaffelungsfaktor 0,1) vergütet. Dagegen nahm die KV bei Ärzten mit voller Zulassung eine Minderung der Fallwerte erst für jeden über 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppen hinausgehenden Fall vor.

Die betroffenen Ärzte mit halber Zulassung sahen sich hier ungleich behandelt und klagten gegen die aus ihrer Sicht zu niedrige Honorarfestsetzung. Sozialgericht und Landessozialgericht folgten der Klage und verpflichteten die KV, die Ärzte neu zu bescheiden. Die KV ging in Revision - scheiterte jedoch letztinstanzlich vor dem BSG.

Auch laut BSG ist es mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu vereinbaren, die Leistungen der in Teilzeit tätigen Ärzte - anders als die Leistungen der in Vollzeit tätigen Ärzte ihrer Fachgruppe - nur bis zu einer Obergrenze voll und alle darüber hinausgehenden Leistungen lediglich abgestaffelt zu vergüten. Die Differenzierung wirke sich vor allem bei Ärzten aus, deren Fallzahl im maßgeblichen Vorjahresquartal deutlich überdurchschnittlich war.

Hinweis: Ärzte mit halber Zulassung sollten also immer prüfen, ob die ihnen ausgezahlten Honorare wie im vorliegenden Fall abgestaffelt und gedeckelt wurden. Denn auf Grundlage der Rechtsprechung des BSG ist dies grundsätzlich unzulässig. Es ist dabei zu beachten, dass die Widerspruchsfrist gegen Honorarbescheide von einem Monat zwingend eingehalten werden muss.

Cannabis: Welche Voraussetzungen für die Verschreibung gelten

Häufiger streiten sich Patienten mit ihren Krankenkassen über die Kostenübernahme der Behandlung mit medizinischem Cannabis. In welchen Fällen die Kasse die Kosten übernehmen muss und wie der Arzt den Einsatz des Medikaments begründen sollte, zeigt folgendes Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG).

Die 1974 geborene Patientin bezog eine Erwerbsminderungsrente. Sie litt an einem stark ausgeprägten Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer Migräne, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline) und einem Tinnitus.

Ihre behandelnde Fachärztin für Neurologie hatte sie bereits mit verschiedenen Arzneimitteln und nichtmedikamentösen Behandlungen versorgt, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Laut Arztbrief der Neurologin hielt diese in einem nächsten Schritt „als Ultima Ratio in diesem schweren Fall (…) einen Therapieversuch mit Cannabis in Form von Dronabinoltropfen für indiziert“. Davon erhoffe sie sich eine Verbesserung der Krankheitssymptome und sehe keine Alternative.

Zum Beleg einer möglichen positiven Einwirkung der Dronabinoltropfen auf den Krankheitsverlauf zitierte die Ärztin mehrere Studien zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms mit Medizinalcannabis.

Die Krankenkasse der Patientin lehnte eine Versorgung mit Dronabinol jedoch ab, ebenso das Sozialgericht Neuruppin.

Das LSG verpflichtete die Krankenversicherung der Patientin jedoch, die Kosten der Behandlung mit Dronabinol vorläufig - bis zur Klärung des Hauptsacheverfahrens - zu übernehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Versorgung mit Dronabinol lägen vor. Das LSG sah den Arztbrief und den Befundbericht der Ärztin als schlüssig, geordnet, mit Nachdruck und in der Sache überzeugend an. Darin habe sie ausgeführt, dass sämtliche me­dikamentösen Möglichkeiten angewandt worden
seien, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Aus Sicht der Ärztin sei bei gleichbleibendem Leiden die (nicht)medikamentöse Therapie ausgeschöpft, die Antragstellerin sei diesbezüglich „austherapiert“.

Hinweis: Für den Patienten ist es sinnvoll, bereits vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Leistungsanfrage bei seiner Krankenversicherung einzureichen und einen umfassenden Arztbrief bzw. Befundbericht beizufügen.

 

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