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Krankschreibung per WhatsApp? Anforderungen an das Ausstellen von Gesundheitszeugnissen

Ein neues Start-up aus Hamburg bietet Arbeitnehmern unter „au-schein.de“ an, sich per WhatsApp krankschreiben zu lassen. Einfach die Erkältungssymptome anklicken, Risikofaktoren ausschließen, Daten wie E-Mail-Adresse und Handynummer angeben und schon hat man per WhatsApp Kontakt zu einer Ärztin aus Schleswig-Holstein.

Die Ärztekammern sind wenig begeistert, sie sind naturgemäß der Ansicht, solche Dienste seien berufsrechtlich unzulässig und verstießen gegen bestehendes Datenschutzrecht. „Wie stellt der Arzt sicher, dass der Mensch, welcher das Foto einer Versichertenkarte über WhatsApp schickt, tatsächlich krank ist sowie der Patient ist, der auf der Versichertenkarte genannt ist?“, mahnt Nicola Timpe, Pressesprecherin der Ärztekammer Hamburg.
Der Mitgründer und Jurist Dr. Can Ansay meint dagegen, es sei ein Irrglaube, dass AU-Scheine über Telemedizin verboten seien.

Doch ist die Krankschreibung per WhatsApp tatsächlich zulässig und welche Anforderungen stellen sich generell an das Ausstellen von Gesundheitszeugnissen? Welche Konsequenzen drohen bei Nichtbeachtung?

Krankschreibung per WhatsApp

Die Krankschreibung per WhatsApp basiert auf einer Lockerung des Fernbehandlungsverbots in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä).

Bis Mitte 2018 galt noch: Ärzte dürfen laut § 7 Abs. 4 der (Muster-) Berufsordnung eine Diagnose nicht ausschließlich über Print- oder Kommunikationsmedien stellen, vielmehr wurde vorher ein Erstkontakt mit dem behandelnden Arzt benötigt.

Nun wurde § 7 Abs. 4 der Musterberufsordnung dahingehend ergänzt, dass Ärzte im Einzelfall eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien vornehmen dürfen, soweit dies ärztlich vertretbar ist, die erforderliche ärztliche Sorgfalt gewahrt ist und der Patient zuvor über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.

Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen sowie Westfalen-Lippe haben diese Regelung des § 7 Abs. 4 MBO-Ä inhaltsgleich übernommen, während Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland die Neuregelung abgelehnt haben.

Das Land Baden-Württemberg setzt die Neuregelung um, indem Modellprojekte, welche die ärztliche Behandlung ausschließlich über Kommunikationsnetze vorsehen, der Genehmigung der Landesärztekammer bedürfen.

Das Land Schleswig-Holstein hat die Neuregelung zur Fernbehandlung anlässlich der Neuregelung in der Musterberufsordnung
noch weiter gelockert. Dort ist eine Beratung oder Behandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und ein persönlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist. Mit diesem Einfallstor versucht das Hamburger Start-up, die AU-Bescheinigung per WhatsApp zu rechtfertigen. Die krankschreibende Ärztin sitzt nicht zufällig in Schleswig-Holstein.

Die Ärztekammer Schleswig-Holstein rät gleichwohl von der Nutzung des Online-Angebots des Hamburger Unternehmens ab. Vielmehr müsse die rechtliche Grundlage § 7 Abs. 4 der Berufsordnung Schleswig-Holstein überprüft werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) schließt sich der kritischen Haltung in vollem Umfang an, so Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KVSH, in einer Stellungnahme. Sowohl der gewählte technische Weg über WhatsApp als auch die Tatsache, dass der Anbieter des Angebots nicht aus der Gesundheitsversorgung kommt, sondern ein Rechtsanwalt und Unternehmer ist, würden die Zweifel verstärken.

Nach hiesiger Auffassung verstößt das Angebot einer AU-Bescheinigung ohne Untersuchung des Patienten via WhatsApp trotz Neuregelung gegen das ärztliche Berufsrecht, da für die Ausstellung eines korrekten ärztlichen Attestes der persönliche Patientenkontakt gerade erforderlich ist und es eben gerade nicht ärztlich vertretbar ist, einem Patienten eine Arbeitsunfähigkeit ohne ärztliche Untersuchung zu bescheinigen.

Es darf auch bezweifelt werden, dass eine solche Bescheinigung das tatsächliche Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit indizieren kann, vielmehr wird der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung auf Basis einer solchen AU-Bescheinigung verweigern dürfen und eine solche Bescheinigung vor den  Arbeitsgerichten voraussichtlich kaum Beweiswert haben.

Selbstverständlich bleibt der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient im Wege einer physischen Präsenz der Regelfall. Allerdings kann der Arzt dabei Kommunikationsmittel unterstützend einsetzen. Vor diesem Hintergrund wurde auch die Abrechenbarkeit der Videosprechstunde angepasst.  Demnach sieht die EBM Ziffer 01450 einen Zuschlag für die Videosprechstunde vor sowie die EBM Ziffer 01439 die Betreuung eines Patienten im Rahmen einer Videosprechstunde. Das Werbeverbot für Fernbehandlungen gemäß § 9 HWG bleibt jedoch unverändert fortbestehen.

Persönliche Unterschrift auf Gesundheitszeugnisse

Bei AU-Bescheinigungen handelt es sich zweifelsfrei um Gesundheitszeugnisse. Gesundheitszeugnisse sind Erklärungen über den aktuellen früheren oder künftigen Gesundheitszustand eines Menschen, neben den AU-Bescheinigungen fallen hierunter auch Impfscheine, Blutalkoholberichte, Patientenakten sowie gutachterliche Äußerungen über die Verhandlungsoder Haftfähigkeit, nicht jedoch der Totenschein.

Zu beachten gilt, dass Gesundheitszeugnisse vom behandelnden Arzt persönlich zu unterschreiben sind. Medizinische Fachangestellte und andere nichtärztliche Mitarbeiter sind nicht dazu befugt, auch nicht durch den Zusatz i.A. Diese dürfen jedoch bloße Anwesenheitsbescheinigungen ausstellen, d.h. dass der Patient zu einer bestimmten Zeit in der Praxis gewesen ist.

Um einen Missbrauch zu vermeiden, sollte in Gemeinschaftspraxen oder Medizinischen Versorgungszentren eindeutig erkennbar sein, welcher Arzt für das Ausstellen des Gesundheitszeugnisses verantwortlich ist, indem eine unleserliche Handschrift durch Hinzufügen des Klarnamens bestimmt wird.

Anforderungen an das Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Um ein bundesweit einheitliches Verfahren über die Zusammenarbeit zwischen Vertragsarzt, Krankenkasse und Medizinischem Dienst bei Arbeitsunfähigkeit des gesetzlich Krankenversicherten zu schaffen, wurde 2014 die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassen.

Eine Arbeitsunfähigkeit liegt demnach vor, wenn Versicherte aufgrund von Krankheit ihre zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können. Die AU-Bescheinigung darf gemäß der Richtlinie nur aufgrund einer Untersuchung erfolgen.

Die Arbeitsunfähigkeit wird einmal für den Arbeitgeber und einmal für die Krankenkasse bescheinigt. Die Bescheinigungen müssen erkennen lassen, ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Erstbescheinigung angegeben, ist nach Prüfung der aktuellen Verhältnisse eine Folgebescheinigung auszustellen. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig. Weiter gilt es zu beachten, dass im Falle von Arbeitsunfähigkeit an arbeitsfreien Tagen wie z. B. an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen oder Urlaubstagen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch für diese Tage zu bescheinigen ist. Auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Krankenkasse sind zudem all die Diagnosen anzugeben, die aktuell vorliegen und die attestierte Dauer der Arbeitsunfähigkeit begründen. Symptome sind nach spätestens sieben Tagen durch eine Diagnose oder Verdachtsdiagnose auszutauschen.

Atteste zur Befreiung vom Schulunterricht

Grundsätzlich ist eine einfache Benachrichtigung der Eltern darüber ausreichend, dass ihr Kind krankheitsbedingt nicht zum Unterricht erscheint. Eine ärztliche Bescheinigung ist nur dann erforderlich, wenn sich die Schule durch außerordentliche Gründe veranlasst sieht, den Nachweis einer ärztlichen Bescheinigung zu verlangen. Wird der Arzt gebeten, eine Bescheinigung zur Befreiung vom Unterricht oder pflichtigen Schulveranstaltungen auszustellen, so wird von den Ärztekammern empfohlen, durch persönliche Untersuchung zu prüfen, ob die vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen objektiv vorliegen und geeignet sind, die Teilnahme am Schulunterricht auszuschließen. Außermedizinische Gründe bieten keine ausreichende Basis für ein Arztattest.

Ausstellen von unrichtigen Gesundheitszeugnissen und dessen Rechtsfolgen

Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse ist kein Kavaliersdelikt. Nach § 278 StGB macht sich ein Arzt strafbar, welcher ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseren Wissens ausstellt. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse für Behörden und Versicherungsgesellschaften zu sichern. Unrichtig ist ein Gesundheitszeugnis, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft steht. Dabei sind vor allem Fälle gemeint, in welchen der bezeugte Befund nicht der Wirklichkeit entspricht. Die Rechtsordnung erwartet vom Arzt, dass er sich ein objektives Bild vom Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Patienten verschafft und dabei kritisch die Angaben des Patienten nach medizinisch-fachlichen Kriterien überprüft. Das Ausstellen einer ärztlichen Bescheinigung kommt nur dann in Betracht, wenn der Arzt zur Überzeugung gelangt, dass die gesundheitlichen Einschränkungen auch objektiv vorliegen bzw. durch eigene Befunde zu belegen sind. Subjektive Schilderungen der Patienten reichen nicht aus.

Wird ein unrichtiges Gesundheitszeugnis vom Patienten zur Vorlage bei einer Versicherung verwendet, so macht sich der Arzt zusätzlich der Beihilfe zum Betrug strafbar, denn die AU-Bescheinigung ist Grundlage für den Entgeltfortzahlungsanspruch bzw. für das Auszahlen eines Krankengeldes durch die Krankenkasse.

Das Ausstellen von unwahren Gefälligkeitszeugnissen kann somit zum einen strafrechtliche Konsequenzen haben. Es drohen außerhalb des Strafgesetzbuches aber auch berufsrechtliche Konsequenzen. So ist die Approbationsbehörde nach § 5 Abs. 2 BÄO verpflichtet, die Approbation zu entziehen, falls sich der Arzt als unwürdig oder unzuverlässig gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO herausstellt. Eine Unwürdigkeit des Arztes kann bei einer Straftat nach § 278 StGB angenommen werden. Einschränkend ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Unwürdigkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen nur aus einem schwerwiegenden Fehlverhalten ergeben kann. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass dem Vertragsarzt nach § 95 Abs. 6 SGB V auch die Zulassung entzogen werden kann. Dies kann gemäß § 97 Abs. 4 SGB V für sofort vollziehbar erklärt werden.

Fazit

Das Ausstellen von unrichtigen Gesundheitszeugnissen ist strafbar. Atteste und Bescheinigungen bedürfen (wohl auch nach der Novellierung der Berufsordnung) einer persönlichen Untersuchung und sollten keinesfalls aufgrund telefonischer Besprechungen erfolgen. Das Modell der Krankschreibung per WhatsApp dürfte bald der Vergangenheit angehören.

Sofern ein Patient um ein Gefälligkeitsattest bittet, sollte dies unbedingt abgelehnt werden.

Der Arzt sollte sich stets die Konsequenzen der Ausstellung eines falschen ärztlichen Attestes vor Augen führen und jedenfalls bei deutlichen Zeichen einer vorgeschobenen Erkrankung die Ausstellung einer AU-Bescheinigung auch ablehnen.

Aktuelle Nachrichten und Urteile aus dem Medizinrecht

Chefarzt klagt erfolgreich gegen Approbationswiderruf

Verwaltungsgericht Hamburg,
Urteil vom 23. 01. 2019 – 17 K 4618/18

Das Verwaltungsgericht hob den Widerruf der Approbation eines Kardiologen wegen Abrechnungsbetruges auf, da sein strafbares Verhalten nicht seine Berufsunwürdigkeit begründe.

Der Chefarzt der Kardiologischen Abteilung eines Hamburger Krankenhauses hatte über einen Zeitraum von vier Jahren bei der Kassenärztlichen Vereinigung im eigenen Namen Rechnungen zu Leistungen eingereicht, die nicht von ihm in eigener Person, sondern von den nachgeordneten Ärzten erbracht worden waren. Das Amtsgericht Hamburg setzte mit Strafbefehl wegen Betrugs in 15 Fällen eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr aus sowie verhängte eine Geldbuße in Höhe von 100.000 Euro. Die Ärztekammer Hamburg leitete ein berufsrechtliches Verfahren gegen den Arzt ein, sah von einer Sanktionierung des Arztes im Ergebnis aber ab. Die Freie und Hansestadt Hamburg widerrief jedoch die Approbation des Arztes. Hiergegen legte der Kläger zunächst Widerspruch, anschließend Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg ein.

Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts begründete das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten nicht seine Berufsunfähigkeit, was Voraussetzung des Widerrufs gewesen wäre. Für das Verwaltungsgericht bestand im Ergebnis kein Grund, an der Integrität des Chefarztes zu zweifeln. Zwar habe sich der Arzt eines nicht unerheblichen Fehlverhaltens schuldig gemacht. Das Verhalten sei – so das Gericht – aber weder von Gewinnstreben noch ärztlicher Gewissenlosigkeit geprägt gewesen. Die fehlerhaften Abrechnungen hätten zudem Routineaufgaben betroffen, die schon im Ausgangspunkt von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht dem Kläger als Chefarzt zur persönlichen Erledigung hätten übertragen werden sollen.

Allerdings gab es bereits ähnliche Fälle die zu einem Widerruf der Approbation führten. So wurde ein Zahnarzt wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Er war in verschiedenen Jahren seiner Pflicht zur Abgabe vollständiger und wahrheitsgemäßer Einkommensteuererklärungen nicht nachgekommen, wodurch sich eine Steuerverkürzung von insgesamt mehr als 62.000 € ergab. Aufgrund dessen wurde die Approbation mit der Begründung widerrufen, der Zahnarzt sei unwürdig zur Ausübung seines Berufes. Der Verwaltungsgerichtshof führte an, dass eine Steuerhinterziehung ein schwerwiegendes Fehlverhalten darstellt, welches eine Berufsunwürdigkeit begründet. (VGH München, Beschluss vom 28. 11. 2016 – 21 ZB 16.436). Dieser Beschluss zeigt, dass jegliche Verurteilung wegen einer Steuerstraftat bzw. einer Straftat im Bereich der Vermögensdelikte auch ein Verfahren zum Entzug der Approbation nach sich ziehen kann.

Untergang einer Arztstelle bei Verzicht zugunsten Anstellung

Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 14. 11. 2019 – S 4 KA 866/17

Verzichtet ein Vertragsarzt zu Gunsten einer Anstellung im MVZ gem. § 103 Abs. 4a auf seine Zulassung, geht eine weitere Arztstelle, die mit einem angestellten Arzt besetzt ist, nach Auffassung des Sozialgerichts Karlsruhe nicht auf das MVZ über, sondern die Arztstelle geht entschädigungslos unter.

Das Gericht billigt damit die Verwaltungspraxis der Zulassungs- und Berufungsausschüsse in Baden-Württemberg, obwohl der Übergang auch der Arztstelle bedarfsplanerisch neutral wäre und die Praxis mit allen Angestellten auf den Nachfolger übergeht.

Das SG Karlsruhe vertritt die Auffassung, § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V regele nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht die Übertragung der Zulassung, sondern die Erteilung einer Anstellungsgenehmigung unter der Voraussetzung des Zulassungsverzichts. Der bisher dem Vertragsarzt mit der Zulassung übertragene Versorgungsauftrag wird nunmehr durch das MVZ erfüllt, welches sich dazu angestellter Ärzte bediene. Der Arzt, dessen Anstellung genehmigt wird, verliere seine Zulassung durch den erklärten Verzicht und nehme seine Zulassung nicht mit.

Die Anstellung eines anderen Arztes als desjenigen, der auf die Zulassung verzichtet hat, ist nicht Gegenstand des § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V.

Auch sei § 24 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV nicht entsprechend anwendbar, da durch die Verlegung der Angestelltenstelle das andere MVZ überhaupt erst entstünde.

Es fehle schlicht an einer Rechtsgrundlage für die Übertragung auch der Arztstelle.

Die Auffassung des SG Karlsruhe liegt auf einer Linie mit dem BSG, das den Verzicht zugunsten einer Anstellung bereits mit Urteil vom 04. 05. 2016 (dreijährige Tätigkeit nach Verzicht) wesentlich erschwerte. Das Urteil ist auch dogmatisch nachvollziehbar, es führt aber zu völlig absurden Ergebnissen in der Bedarfsplanung und berücksichtigt nicht, dass ein Abgeber seine Praxis mit allen Angestellten und Versorgungsaufträgen verwerten möchte.

Hierzu bleibt einem Abgeber mit Arztstelle jedenfalls in Baden-Württemberg häufig nur der Weg über die Ausschreibung aller Sitze mit dem Risiko der Bewerbung von Konkurrenten.

Verlust des Rechts auf Wiederholung der Ausschreibung bei unberechtigter Einflussnahme des Praxisabgebers auf das Nachbesetzungsverfahren

BSG Kassel, Urteil vom 22. 03. 2016 – B 6 KA/9/15 R,
BayLSG München, Urteil vom 22. 03. 2017 – L 12 KA 77/16 ZVW

Das Bundessozialgericht hatte sich anlässlich der Klage eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Orthopäden der nach bestandskräftiger Entziehung seiner Zulassung seine Praxis auf einen Nachfolger übertragen wollte, mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nachfolgezulassung auseinanderzusetzen. Konkret ging es um die Frage, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt eine fortführungsfähige Praxis vorlag.
Besondere Brisanz erhielt der Fall dadurch, dass der Praxisabgeber seinen Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes trotz vorhandener Bewerber zweimal zurücknahm und aktiv auf das Nachbesetzungsverfahren Einfluss nahm, in dem er die Bewerber zur Rücknahme ihrer Anträge aufforderte und damit drohte, seinen Antrag für den Fall zurückzunehmen, dass ein anderer als sein Wunschkandidat die Zulassung erhalten sollte. Die Frage, ob der Praxisabgeber sein Recht auf Nachbesetzung durch die Einflussnahme verloren haben könnte, konnte das BSG mangels entsprechender Tatsachenfeststellung durch das BayLSG nicht beantworten. Das Urteil des BayLSG wurde deswegen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das BayLSG zurückverwiesen. Das BayLSG entschied, dass das Nachbesetzungsverfahren in der Regel mit der Rücknahme des Antrags auf Ausschreibung durch den Praxisabgeber beendet ist. Hat der Praxisabgeber den Antrag auf Ausschreibung seines Sitzes zurückgenommen, sei ein erneuter Antrag nur dann beachtlich, wenn der Arzt ein berechtigtes Interesse für die Rücknahme und die erneute Antragstellung darlegen und nachvollziehbar begründen kann. Liege ein solches berechtigtes Interesse nicht vor, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass das Nachbesetzungsverfahren nach der Rücknahme des ersten Antrages beendet ist. Das Recht auf Nachbesetzung erlischt in diesem Fall.

KV darf im Rahmen der Terminvermittlung keine Patienten zwangsweise zuweisen

Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 06. 06. 2018 – L 11 KA 1312/17

Ein Augenarzt klagte erfolgreich gegen die „Zwangszuweisung“ gesetzlich krankenversicherter Patienten zur Behandlung in der fachärztlichen Versorgung durch die KV. Die KV Thüringen hatte Patienten, die selbständig keinen Arzt für die notwendige augenärztliche Behandlung finden konnten, im Rahmen der Terminvermittlung per Bescheid einer bei dem Kläger angestellten Fachärztin zugewiesen, die unterdurchschnittlich im Verhältnis zu ihrem Versorgungsauftrag tätig war.

Das LSG entschied, dass ein Praxisinhaber in dieser Weise nicht durch die KV zur Duldung der Patientenzuweisung verpflichtet werden kann. Für eine Zuweisung fehle es an einer Rechtsgrundlage; eine solche sei weder in der KV-Satzung noch im Gesetz zu finden.

Aus der Verpflichtung des Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs. 3 SGB V) könne keine Befugnis der KV abgeleitet werden, gesetzlich Krankenversicherte durch einen Verwaltungsakt einem bestimmten Vertragsarzt zuzuweisen. Könne die KV keinen leistungsbereiten Arzt finden, müsse sie vielmehr eine Krankenhaus-Behandlung anbieten.

 

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